Parat für’s Parlament

Wolfgang zu Gast im OV Trostberg
Bild von Dieter Ludwig Scharnagl auf Pixabay

Vom Spielfeldrand aufs Spielfeld wechseln, vom Von-außen-Hineinreden zum Mitreden und Mitbestimmen – das möchte Wolfgang Ehrenlechner. Und dafür will er ins Parlament. Den 39-jährigen Teisendorfer haben die Grünen aus dem Wahlkreis Traunstein als ihren Direktkandidaten für die Bundestagswahl am 26. September nominiert. Doch bevor der Wahlkampf losgeht, macht Ehrenlechner erst einmal in den eigenen Reihen seine Aufwartung.

Nun war er beim Trostberger Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen zu Gast. Digital, versteht sich. Das Treffen fand aufgrund der Corona-Beschränkungen online statt. Doch trotz der räumlichen Trennung konnten sich der Kandidat und seine Parteifreunde gegenseitig ausführlich „beschnuppern“ und über die politischen Ziele des Grünen-Hoffnungsträgers ratschen.

Wahlalter absenken

Seit 2017 ist Wolfgang Ehrenlechner Geschäftsführer des Bundesverbands des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDJK) und der Bundeszentrale für katholische Jugendarbeit in Düsseldorf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Jugendpolitik eines seiner Steckenpferde ist. Ebensowenig verwunderlich war seine Antwort auf die Frage von Grünen-Ortssprecherin Nina Boxhammer, ob er mehr Mitspracherecht für junge Menschen befürworte: „Unbedingt.“ Bei Politikern hätten die Interessen von Kindern und Jugendlichen „nicht unbedingt oberste Priorität“, findet Wolfgang Ehrenlechner. „Deshalb halte ich es für zwingend notwendig, dass das Wahlalter in Stufen abgesenkt.“

„Ressourcen schützen“ und „globale Verantwortung stärken“ – diese Schlagwörter nannte Wolfgang Ehrenlechner als seine Motive, sich in der Politik und in kirchlichen Organisationen zu engagieren. Das betrifft für ihn Jugendpolitik, Nächstenliebe – etwa in Form von Hilfe für Geflüchtete – sowie Klimaschutz und Ökologie als Bewahrung der Schöpfung gleichermaßen. Angela Merkel habe sich zwar als Klimakanzlerin feiern lassen, aber nicht viele Taten folgen lassen. Daher wünscht sich Wolfgang Ehrenlechner die Grünen bei der Wahl so stark, dass sie Partner einer Regierungskoalition werden. Dann könnte das Land den Kohleausstieg wirklich vollziehen und die Energiewende weiter vorantreiben – mit dem Ziel: 100 Prozent erneuerbare Energien.

Um sorgsamer mit dem Boden umzugehen und Flächenfraß zu zügeln, seien es die Aufgaben der Politik, für weniger Verkehr auf der Straße zu sorgen, mehr Menschen zu motivieren, den ÖPNV zu nutzen, mehr Güter auf die Schiene zu bringen und nicht noch mehr Flächen mit Straßen zu versiegeln. Den jetzigen Protagonisten stellte er ein schlechtes Zeugnis aus: „Die Verkehrspolitik ist eine absolute Katastrophe – und auch der Verkehrsminister.“ Der Bund müsse den Ausbau der Schiene forcieren. Auch für die heimische Region forderte der Grünen-Kandidat ein S-Bahn-System mit vielen Haltepunkten.

Wer jedoch derzeit per Zug von Waging nach Trostberg will, müsse mit „Bummelbahn“ und Wartezeit über Traunstein fahren, kritisierte Wolfgang Ehrenlechner die Anschlüsse. Wer von Seebruck nach München möchte, steige eher ins Auto als in den Zug. Doch dafür interessiere sich die Verkehrspolitik nicht. Stattdessen verbohre sich Verkehrsminister Andreas Scheuer wie seine Amtsvorgänger Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer (alle CSU) in „Irrsinnsprojekte“ à la sechsspuriger Autobahnausbau und Maut. 30 Milliarden Euro seien in solchen Projekten verbaut worden – Geld, das für Investitionen in die Schiene nun fehle.

Weg von der Kleinstaaterei und den Nationalismen, plädierte Wolfgang Ehrenlechner für ein starkes Europa. Doch heiße Eisen wie das Dublin-Abkommen widersprächen zutiefst dem solidarischen Miteinander, für das die Europäische Union stehen müsste. „Das zeigt uns, wie verwundbar dieses Europa ist“, bedauerte Wolfgang Ehrenlechner. Nationalstaaten müssten Kompetenzen an die europäische Ebene abgeben. Aber noch hätten Nationalstaaten – wie etwa beim Thema Flucht – das letzte Wort. Geflüchtete müssten jedoch überall in der EU gleich behandelt werden.

Ein Lieferkettengesetz, das den Namen auch verdiene, eine Reform des Sozialgesetzbuchs VIII für die Kinder- und Jugendhilfe sowie ein starkes und attraktives Angebot an Freiwilligendiensten anstatt von Pflichtprogrammen wie Wehr- und Ersatzdienst: Es steht noch vieles, was die Grünen in Regierungsverantwortung realisieren sollen, auf Wolfgang Ehrenlechners Wunschzettel. Doch wie sieht der Kandidat die Chancen seiner Partei, tatsächlich am Kabinettstisch Platz nehmen zu dürfen? Für Wolfgang Ehrenlechner ist eine Regierung ohne die Union aufgrund der aktuellen Umfragen eher unwahrscheinlich, aber bis Herbst sei ja noch vieles möglich. „Letztendlich kommt es immer darauf an, dass man gut verhandelt.“ Die Position der Grünen dafür beurteilt er angesichts der Umfragewerte seiner Partei optimistisch. „Ich glaube, wir sind gut aufgestellt.“

Text: Michael Falkinger