Knackendes Geäst, raschelndes Laub, angeregte Gespräche: Teile der angedachten Trasse der Umgehungsstraße Trostbergs waren auf der Route einer Wanderung, zu der Eva Lettenbauer, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Bayern und Landtagsabgeordnete, sowie Wolfgang Ehrenlechner, Bundestagsdirektkandidat für Traunstein und das Berchtesgadener Land, zum Trostberger Grünen-Ortsverband gekommen waren. Die Teilnehmer, die sich von Baumburg aus über den am Altenmarkter Auberg erbauten „Ramsauer-Gedächtnis-Tunnel“, wie es Grünen-Ortssprecherin Nina Boxhammer formulierte, über Glött und Mögling auf den Weg in die Trostberger Altstadt machten, waren sich einig: Hier soll keine Umgehungsstraße, sondern eine Bundesfernstraße entstehen, die zwei Autobahnen miteinander verbindet.
KEINE ORTSUMGEHUNG, SONDERN BUNDESFERNSTRASS
Am Startpunkt, im Biergarten des Baumburger „Bräustüberls“, bot Hans Stalleicher von den Trostberger Grünen Einblick in die Neutrassierung. Ein Kritikpunkt: Bei der Streckenführung handle es sich um eine schnellstraßen-ähnlich ausgebaute überregionale Bundesfernstraße, die mehr Transit- und Schwerlastverkehr ins Alztal bringe, und nicht um eine übliche Ortsumgehung.
Hohe Lärmbelästigung und eine dramatische Erhöhung umwelt- und gesundheitlicher Schadstoffe seien die Folgen. Die wichtigen Funktionen der Dietlwiese als Frischluftschneise und der Biotope fielen weg. Das Fazit der Grünen: Die vor langer Zeit geplante Trasse sei überholt. Angesichts der Schneisen, die die Straße in die Natur schlagen würde, sprach Lettenbauer von einer Verschandelung der Landschaft.
Das bekräftigte die Grünen-Landeschefin auch am Zielpunkt Hotel „Pfaubräu“, wo sie und Ehrenlechner vor zahlreichen Besuchern zum Thema „Gute Zukunft − Ideen vom Land fürs Land“ referierten. Mobilität auf dem Land, Klimawandel und Flächenversiegelung, wie die Grünen sie auch für die neue Bundesstraße befürchten, zählten zu den Themen.
Sowohl der Teisendorfer Ehrenlechner als auch Lettenbauer, die aus einem 60-Seelen-Dorf im Landkreis Donau-Ries kommt, seien „Dorfkinder“, erklärte Ehrenlechner − und das „sehr, sehr gern“. Das Dorf und die ländliche Region standen daher auch klar im Mittelpunkt ihrer Ausführungen.
Ehrenlechner, Geschäftsführer des Bundesverbands des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDJK) und der Bundeszentrale für katholische Jugendarbeit in Düsseldorf, beleuchtete besonders die Jugendthemen. Das soziale Miteinander, das Vereinsleben, das ehrenamtliche Engagement etwa in Feuerwehr oder Musikkapelle prägen seiner Meinung nach das Dorfleben. Er sprach aber auch von Sozialromantik: Es gebe Jugendliche, die sich in dieser „Folkore-Welt“ nicht zu Hause fühlen, nach München zum Studium gehen, aber doch auch wieder ins Dorf zurückkommen wollen.
In puncto Verkehrsanbindung könne dies jedoch problematisch werden, wenn die Jugendlichen keinen Führerschein haben und der nächste Bahnhof 20 Kilometer entfernt ist. „Dann funktioniert’s einfach nicht“, sagte Ehrenlechner und sprach für die Grünen-Politik: „Und da müssen wir ran.“
Mobilität müsse einfacher werden. Der Verkehr zentriere sich zu sehr auf das Auto, und die Bahn sei nicht kundenfreundlich. Ehrenlechners Forderung: Der ÖPNV müsse besser vernetzt werden.
„DA MUSS EIN UMDENKEN HER“
Mobil zu sein sei Grundlage des Lebens, betonte Lettenbauer. „Niemand soll abgeschottet allein leben müssen.“ Auch auf dem Land sei der ÖPNV ganz wichtig. Ein Grundangebot an Bus und Bahn müsse sichergestellt sein. Auch die Möglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer sollte die Politik viel mehr fördern. „Da muss ein Umdenken her.“ Hier sei die Regierung in der Pflicht, Geld zu investieren − und nicht in die nächste 20-Meter-Brücke für die nächste Umgehungsstraße.
Die Menschen würden noch lange Zeit aufs Auto angewiesen sein, „ganz, ganz klar“, gab Lettenbauer zu bedenken. Aber das Auto der Zukunft werde das E-Auto sein. Um sicherzustellen, dass das Produktionsland Deutschland ist, bedürfe es politischer Rahmenbedingungen. Zudem brauche auch der ländliche Raum E-Lade-Infrastruktur.
Erneuerbare Energien waren ein weiteres Thema, mit dem sich Lettenbauer und Ehrenlechner auseinandersetzten. Als die rot-grüne Bundesregierung Anfang der 2000er-Jahre das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus der Taufe gehoben hatte, habe große Aufbruchstimmung geherrscht, erklärte Ehrenlechner. Sie sei jedoch in den vergangenen 16 Jahren wieder abgeflaut, weil sich die Kabinette von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu wenig darum gekümmert hätten.
„VIEL UNGENUTZTES WINDPOTENZIAL“
Er sei davon überzeugt, dass erneuerbare Energien weiterhin großes Potenzial bieten. In Bayern gebe es „irrsinnig viel ungenutztes Windpotenzial“ auf landwirtschaftlichen Flächen. „Das, denke ich, ist eine große Chance“, wenn Industrie klimaneutral werden soll, meinte Ehrenlechner. Das Grünen-Wahlprogramm sehe für die Energiewende zudem vor, Bürger an Solar- und Windparks zu beteiligen. Das gäbe einen Schub, um das Ziel „100 Prozent erneuerbare Energien“ zu erreichen.
Stadt- und Dorfkernentwicklung, der soziale Zusammenhalt, generationenübergreifendes Zusammenleben, ein Umdenken im Pflegebereich und mehr waren die weiteren Themen, mit denen sich Lettenbauer und Ehrenlechner befassten. Um ihre Vorstellungen verwirklichen zu können, brauche es in der kommenden Legislaturperiode eine starke Grünen-Fraktion, die auch an der Bundesregierung beteiligt ist.
Mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September rührte Lettenbauer die Werbetrommel für Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Das Land brauche eine Kanzlerin, die anpackt, Menschen zusammenbringt und Großes vollführt. „Es ist zentral, wählen zu gehen“, appellierte Lettenbauer an ihre Zuhörer. Es sei wichtig, demokratisch zu wählen, damit die „rechten Hetzer verschwinden“. Michael Falkinger